Stressmanagement Vier einfache und effektive Yoga-Atemübungen

Stressmanagement Vier einfache und effektive Yoga-Atemübungen

Einer der besten Hebel für Entspannung ist unsere Atmung. Immer besser versteht die westliche Wissenschaft die positiven Effekte von Yoga-Atemübungen, die im Yoga Pranayama heißen und uralt sind.

13.01.2019Dr. Kai Kaufmann, Hamburg

Was du in diesem Artikel gleich erfahren wirst:

Wer an Yoga denkt, dem kommen am ehesten die körperlichen Stellungen wie Hund, Kobra und gar ein Handstand in den Sinn. Doch genauso zentral wie diese Haltungen sind im Yoga die Atemübungen: das Pranayama. Der Atem gilt im Yoga als Bindeglied zwischen Körper und Geist. So wie der Sanskrit-Begriff „Yoga“ für Verbindung steht, stehen also auch die Pranayamas für Verbindung. Schon aus dieser Vorstellung wird deutlich, welche elementare Rolle die Atemtechniken im Yoga spielen: körperlich, psychisch, energetisch und spirituell.

Atemübungen werden häufig vor den Yogastellungen eingesetzt, sie sind Vorbereitungen oder auch Teil verschiedener Meditationstechniken und können in Verbindung mit den Stellungen, den Asanas, praktiziert werden.

Die Atmung ist damit ein elementarer Bestandteil des Yoga – in jeder Yogastunde und in jedem Moment. Mal bewusst, mal unbewusst; mal gelenkt, mal fließend. Doch beliebig ist an diesen Techniken nichts. Sie haben verschiedene Wirkungen und Bedeutungen. Es lohnt sich also ein kurzer Überblick oder am besten die Einführung eines Lehrers, um für sich die individuell passenden Pranayama-Techniken zu finden.

Zu den bekanntesten Techniken des Pranayama zählen folgende – manche tragen verschiedene Bezeichnungen: Bauchatmung, vollständige Yoga-Atmung, Anuloma Viluma oder auch Nadi Shodana, Kapalabhati oder auch Nadi Shodana, Bhramari, Ujjayi oder auch siegreicher Atem; Sitali – kühlender Atem, Uddiyana Bandha im Stehen, Sitkari, Bhastrika und Surya Bedha. Zu einigen dieser Techniken finden sich unten Schritt-für-Schritt-Anleitungen.

Was bedeutet Pranayama?

Das Wort „Prana“ steht im Sanskrit für Lebensenergie. Klar, was diesen „Namen“ trägt, kann keine Nebensache sein.

Pranayama bedeutet das kontrollierte Führen der eigenen Atmung. Wer seinen Atem führen kann, kann auch seine Gedanken führen, lautet ein Grundsatz im Yoga. Er gilt übrigens auch für die Meditation – sie ist nichts anderes als die geführte, vollständige Konzentration. Pranayama und Meditation folgen aus dieser Sicht demselben Prinzip. Da macht es Sinn, dass im Yoga viele Meditationstechniken mit dem geführten Atem oder zum Beispiel dem Zählen der Atemzüge verbunden sind. Der Atem, Prana, dient in vielen Meditationstechniken als Anker für die Konzentration, damit die Gedanken nicht abschweifen.

Was ist der Ursprung der Yoga-Atemübungen?

Pranayama und Yoga sind geschichtlich von Anfang an mit einander verbunden. Schon in Jahrtausende alten Schriften wie der Bhagavad Gita und den Yoga Sutras von Patanjali spielt Prana eine wichtige Rolle.

Traditionell wird Pranayama dem Raja Yoga zugeordnet, einer der vier großen Formen des Yoga. Im Raja-Yoga geht es vor allem um die Kontrolle der Gedanken. Dies wird durch acht verschiedene „Pfade“ oder „Zweige“ praktiziert. Dazu gehören die Körperstellungen (Asanas), Meditation, moralische Haltungen und anderes. Der vierte Zweig des Raja Yoga ist Pranayama.

Wie wirken sich die Pranayama Atem-Techniken auf Körper und Geist aus?

Wenn im Zusammenhang von Pranayama und den eigenen Gedanken von „Kontrolle“ die Rede ist, so ist dies positiv gemeint. Die Gedanken sollen uns in diesem Übungssystem oder in dieser Philosophie eben nicht unbewusst steuern. Wir selbst wollen die Leitung über unser Sein haben – uns autonom fühlen und auch so handeln können.

Wer sich immer wieder mal „ferngesteuert“ von den eigenen Ängsten oder anderen Gedanken und Impulsen fühlt, ahnt was gemeint ist. Schon die alten, weisen Yogis scheinen dieses Problem gekannt zu haben.

Hieraus wird deutlich, wieviel Pranayama und ein gesunder Geist oder eine gesunde Psyche miteinander zu tun haben. Und tatsächlich: Nicht nur in der östlichen Philosophie, sondern auch in der westlichen Medizin werden viele dieser Aspekte seit einigen Jahren besser verstanden. Ein Grund dafür sind große Summen von Forschungsgeldern, die seit den 90er-Jahren in mittlerweile tausende Studien zu Yoga und seinen Elementen fließen.

Wissenschaftliche Studien zu Pranayama und seinen Wirkungen

Oft sind Atemtechniken aus dem Yoga Teil der wissenschaftlichen Untersuchungen, seltener wird Pranayama isoliert betrachtet. Studien zeigen beispielsweise, dass das Bedürfnis nach Nikotin im Anschluss an Pranayama-Übungen sinkt. Deshalb kann Yoga auch helfen, die Nikotinsucht zu überwinden.

Wissenschaftler vom Karolinska Institut in Schweden konnten in einer anderen Studie im Jahr 2018 zeigen, dass sich Nasenatmung offenbar positiv auf Gehirnfunktionen auswirkt: Das Erinnerungsvermögen der Studienteilnehmer war bei Nasenatmung im Gegensatz zur Mundatmung verbessert.

Bei den meisten Pranayama-Techniken und in der gesamten Yogapraxis ist Nasenatmung die übliche Technik; Mundatmung wird allerdings auch bei einigen Techniken (siehe unten) gezielt eingesetzt.

Die Gründe für das große wissenschaftliche Interesse an den verschiedenen Yoga-Techniken – Asanas, Pranayama, Meditation – liegen auf der Hand: Erstens werden die gesundheitlichen positiven Effekte immer sichtbarer seit Yoga mit all seinen Aspekten einen weltweiten Boom erlebt;  zweitens sind diese Techniken eine kostengünstige Form der Gesundheitsfürsorge. 

Wie wirkt sich Pranayama auf das Nervensystem aus?

Was gut für die Seele ist, ist meist auch gut für den Körper. Die Wechselwirkungen sind heute auch immer mehr westlichen Medizinern unverkennbar. Unsere Atmung ist auch aus dieser Sicht eine Verbindung zwischen den beiden Teilen unseres Nervensystems: Unser vegetatives – auch: autonomes – Nervensystem lässt sich nicht willentlich steuern. Dazu gehören Herzschlag, Verdauung, Stoffwechsel und mehr.

Der andere Teil heißt somatisches Nervensystem, mit ihm steuern wir bewusst unsere Muskeln. Die Atmung läuft zwar autonom, aber sie ist eben auch bewusst steuerbar. Auf diese Weise können wir mit unserer Atmung und Pranayama indirekt positiven Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem und die verbundenen Körperfunktionen nehmen.

Bei welchen Krankheiten oder Symptomen hilft Pranayama?

Der Zusammenhang zwischen unsere Atmung und dem vegetativen Nervensystem ist ein wesentlicher Grund dafür, weshalb Techniken wie Pranayama und andere aus dem Yoga so gut gegen stressbedingte Erkrankungen einsetzbar sind. Und stressbedingt sind heute im wahrsten Sinne des Wortes unzählige Erkrankungen.

Dies gilt nicht nur für körperliche wie etwa Probleme des Verdauungstraktes oder Herz-Kreislaufsystems. Zu den stressbedingten Krankheiten zählen auch viele psychische Erkrankungen, die heute neben Rückenproblemen die größten Volkskrankheiten sind. Insbesondere Depressionen können in Verbindung mit Stress stehen. Noch deutlicher ist der Zusammenhang von Stress und Burnout oder genauer: dem chronischen Erschöpfungssyndrom.

Wenn wir Stress als weniger belastend empfinden, wird ein wichtiger Co-Faktor für viele Erkrankungen positiv beeinflusst. Pranayama kann dabei eine Hilfe sein. Damit sind Atemtechniken auch eine Form des gesunden Stressmanagements und der Stärkung unserer Resilienz, also unserer seelischen Widerstandskraft.

Die wirkungsvollsten Yoga-Atemübungen – mit Anleitung

Welche Pranayama-Techniken für einen Menschen besonders wirkungsvoll sind, bleibt letztlich eine individuelle Frage. Dennoch gibt es Kriterien für die unterschiedlichen Potenziale und Wirkungen der Übungen.

Ein Kriterium kann „Einfachheit“ sein. Was nützt eine wirkungsvolle Technik, wenn sie mir persönlich zu kompliziert ist? Andere Kriterien wären: Wie schnell „komme ich runter“ oder wie gut entspanne ich mich? Oder: Passt die Technik zu meiner aktuellen Verfassung und meinem Alltag?

Ein Beispiel: Manche Experten raten bei traumatisierten Menschen von Atemtechniken ab, die einen sehr starken Eingriff in die natürliche Atmung bedeuten. So eine Technik wäre Kapalabhati, die Schnellatmung, auch „Feueratem“ genannt. Kapalabhati ist im Yoga ein Standardelement, das in Yoga-Kursen vieler Gyms angewandt wird. Passen tut Kapalabhati aber eben nicht für jeden und nicht in jeder Lebenssituation.

Wirkungsvolle Pranayama-Übungen:

Pranayama-Übung 1: Bauchatmung

Ohne Hilfe einfach erlernbar. Nahezu immer und überall einsetzbar – zuhause auf der Matte, im Bus zur Arbeit oder auf dem Bürostuhl im Job für zwei Minuten. Wirkung: Beruhigt sehr schnell und lenkt die Aufmerksamkeit zu sich selbst und nach innen. Schöne Einschlafhilfe. Wenn das Ausatmen länger als das Einatmen ist, soll dies den Parasympathikus des autonomen Nervensystems aktivieren. Er steuert die Entspannungsreaktion.

  • auf dem Rücken liegend oder auch sitzend
  • Bauchatmung: anfangs eine Hand seitlich auf den Bauch legen
  • beim Einatmen bis drei zählen, der Bauch hebt sich
  • beim Ausatmen ebenfalls bis drei zählen, der Bauch senkt sich
  • so einige Male atmen und zählen
  • Schrittweise kann man das Ausatmen bis sechs verlängern
  • wenn die Gedanken abschweifen, einfach die Konzentration zurück zum Zählen führen
  • einige Minuten fortsetzen

Pranayama-Übung 2: Vollständige Yoga-Atmung

Am besten mit der Bauchatmung, siehe oben, beginnen. Wenn hierin etwas Übung besteht, übergehen zur vollständigen Yoga-Atmung. Wirkung: Sorgt für eine gute Sauerstoffversorgung und Entspannung der Muskulatur.

  • auf dem Rücken liegend oder auch sitzend
  • eine Hand liegt seitlich auf dem Bauch, die andere seitlich auf dem oberen Rippenbogen
  • einatmen in den Bauch, die untere Hand hebt sich; mit demselben Atemzug weiter hoch in den Brustraum einatmen und noch weiter bis in die Lungenspitzen darüber; zuletzt hebt sich die obere Hand;
  • ausatmen: zunächst senkt sich dabei der Brustkorb, dann der Bauch mit der darauf liegenden Hand
  • einige Runden und Minuten fortsetzen

Pranayama-Übung 3: Wechselatmung – Anuloma Viloma / Nadi Shodana

Ein Klassiker mit zwei Namen: Anuloma Viloma oder Nadi Shodana. Nicht ganz leicht anfangs, aber einmal dran gewöhnt, ist die Wechselatmung eine gute Technik, um sich für einen längeren Zeitraum voll auf sich selbst zu konzentrieren. Traditionell zugeschriebene Wirkung: Harmonisierung der linken und rechten Gehirnhälfte, was aber wissenschaftlich nicht belegt ist.

  • bequeme Sitzposition einnehmen, gerader Rücken
  • Anleitung hier für folgenden Rhythmus: 4:4:8
  • das rechte Nasenloch verschließen (immer mit Ringfinger und Daumen), links einatmen, dabei bis vier zählen
  • beide Nasenlöcher verschließen – immer mit Ringfinger und Daumen; dabei bis vier zählen
  • rechts öffnen und ausatmen, dabei bis acht zählen
  • rechts einatmen, dabei bis vier zählen
  • beide verschließen, dabei bis vier zählen
  • links öffnen und ausatmen, dabei bis acht zählen.
    (1. Runde)
  • einige Runden und Minuten fortsetzen

Nächste Runde genau so: Links einatmen, dabei bis vier zählen usw. Einige Runden fortsetzen. Der Rhythmus wird für Fortgeschrittene folgendermaßen angeglichen: 4:8:8 oder 4:16:8.

Pranayama-Übung 4: Uddiyana Bandha im Stehen
Die dynamischste der drei Übungen. Wirkung: Sehr gut um innere Spannung abzubauen. Ideal für morgens als Muntermacher oder abends nach der Arbeit zum Stressabbau.

  • im Stehen 2 X ganz normal ein- und ausatmen
  • mit dem Mund vollständig ausatmen, dabei leicht in die Knie gehen, Bauch einziehen und leicht nach oben ziehen
  • Kinn auf die Brust, Zunge an den Gaumen
  • Vakuum im Bauch halten
  • wenn der Impuls zum Einatmen kommt: durch die Nase einatmen und aufrichten
  • 2 bis 4 Mal wiederholen

Wo kann man Pranayama unter fachkundiger Anleitung lernen?

Pranayama ist ein Standard-Element jedes Yogaunterrichts, ob im Gym oder Yoga-Zentrum. Es gehört einfach dazu. Wichtig ist, die passende Variante für sich und die eigene aktuelle Verfassung zu finden. Ein Yoga-Personal-Trainer eignet sich besonders für den Einstieg und tiefere Lernstufen.

Fazit

Atmung ist elementar – und ihre Wirkung auch. Nicht umsonst heißt es bei Stress, Sorgen und Aufregung völlig unabhängig von Yoga und Pranayama: „Erst einmal durchatmen!“ Im Yoga ist das Wissen um die körperliche, psychische, energetische und spirituelle Bedeutung von Atmung als Pranayama seit Jahrtausenden tief verankert. Die meisten dieser Atemtechniken sind leicht erlernbar und ihre Wirkung unmittelbar spürbar. Doch was zu welchem Zeitpunkt individuell passt, hängt von vielen Faktoren ab. Eine Anleitung mit guten Fachkenntnissen und regelmäßige Übungspraxis sind der Weg, das Potenzial von Pranayama optimal zu nutzen.

Zum Autor: Dr. Kai Kaufmann ist Yoga-Personal-Trainer und für Unternehmen Seminarleiter zu den Themen „Resilienz – innere Widerstandskraft stärken“ und „Stressmanagement“.

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Über den Autor

Dr. Kai Kaufmann
Dr. Kai Kaufmann ist Trainer für gesundes Stressmanagement, seelische Widerstandskraft (Resilienz), Yoga und Meditation für Mitarbeiter von Unternehmen und Einzelkunden. Über 15 Jahre war er in leitenden Positionen für Großverlage tätig. Während dieser Zeit war er selbst von einem monatelangen Burnout betroffen. Kai weiß daher, unter welchen Belastungen Mitarbeiter u. Führungskräfte heute oft stehen. Mit viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Humor stärkt der "XING Top Mind Mental Health 2022" seine Kunden auf ihrem persönlichen Weg.

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